Von den fünf Ratsmitgliedern die Ihr Mandat in der laufenden Periode niedergelegt haben, waren drei jünger als 45 Jahre – bei einem aktuellen Altersdurchschnitt im Rat von beinahe 55 Jahren. Der Hamelner SPD-Vorsitzende Ingo Reddeck ist überzeugt: „Die Wechsel im Rat sind die Folge davon, dass sich in dieser Altersgruppe relativ häufig private und berufliche Veränderungen ergeben".

Stimmen, die solche Veränderungen als Zeichen von Unzuverlässigkeit und Unehrlichkeit bezeichnen, empfiehlt er sich besser mit den tatsächlichen Rahmenbedingungen für kommunalpolitisch Aktive auseinanderzusetzen. Damit reagiert die SPD auf eine entsprechende Berichterstattung in der gestrigen Dewezet.

Reddeck selbst war im vergangenen Jahr zugunsten einer neuen beruflichen Herausforderung aus dem Rat ausgeschieden. Er unterstützt seitdem als Interner Berater bundesweit Jobcenter und Arbeitsagenturen zu organisatorischen und strategischen Themen. „Ein solcher Beruf mit entsprechend häufigen Abwesenheitszeiten ist mit der Ratsarbeit nicht vereinbar“, so der 32jährige.

Anders ist es bei Tomke Meier, ebenfalls 32 Jahre alt, die in Kürze zum dritten Mal Mutter wird und daher aus privaten Gründen das Ratsmandat zurückgegeben hat: „Die Ratsarbeit ist sehr spannend und macht viel Spaß, aber sie ist auch sehr arbeitsintensiv und mit einem enormen zeitlichen Aufwand verbunden.“ Einer ihrer Anliegen ist es daher, sich für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt einzusetzen. Gerade für Vollzeit berufstätige Eltern gestaltet sich die Ratsarbeit in Hameln schwer. „Hier würde ich mir mehr Engagement und Solidarität - sowohl Politik und von Verwaltung insgesamt als auch von Kolleginnen und Kollegen wünschen, die Rahmenbedingungen zu verbessern“. Das gelte beispielsweise für die Frage von Sitzungszeiten als auch für die Erstattung von Fahrtkosten für Familienangehörige, die die Kinderbetreuung übernehmen. „Hier ist sicherlich das Verbesserungspotenzial noch nicht erschöpft“, meint Tomke Meier. Letztlich war für die junge Mutter auch mit Blick auf den eigenen Anspruch eine wirkliche Vereinbarkeit von Ehrenamt, Familie und Beruf ohne schlechtes Gewissen - sowohl gegenüber der eigenen Familie als auch gegenüber den Kolleginnen und Kollegen im Rat - weder gegenwärtig noch in naher Zukunft absehbar.

Und auch die Sitzungszeiten sind ein Thema. „Mehrere jüngere und auch ältere Ratsmitglieder wollten mit mir zusammen die Termine für die Fachausschüsse von 16 auf 18 Uhr verschieben, um die Sitzungsteilnahme für Berufstätige zu erleichtern“ erklärt der SPD-Ratsherr Christian Kreich. Der 36jährige Erzieher ärgert sich bis heute, dass der Rat nicht einmal eine Verschiebung des Sitzungsbeginns auf 17 Uhr mitgetragen hat.

Anstatt ehrenamtliche Ratsmitglieder die ihr Mandat aufgeben müssen, geringzuschätzen und nicht auch mal nach den Hintergründen zu fragen, ist aus Sicht der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stattdessen ein gesellschaftliches Umdenken in Bezug auf die Frage nach einer wirklichen Vereinbarkeit von ehrenamtlichem Engagement, Beruf und Familie insgesamt notwendig. Nur so kann es gelingen beispielsweise in den politischen Gremien den so wichtigen und sinnvollen Querschnitt der Bevölkerung abzubilden, aber auch ehrenamtliches Engagement in anderen Bereichen zu fördern. „Ohne die notwendigen Veränderungen werden stattdessen auch in Zukunft Menschen mit beruflichen oder familiären Verpflichtungen leider viel zu oft einen Bogen um ehrenamtliches Engagement machen, obwohl es bei Vielen auch in jungem und mittleren Alter ein großes Interesse an Engagement für die Gesellschaft gibt“, ist sich Tomke Meier sicher. Die sinkende Zahl von ehrenamtlich Aktiven ist in der Politik genauso ein Thema wie beispielsweise auch in Sportvereinen und Feuerwehren.