Ein persönlicher Kommentar von Christan Kreich.

Eigentlich müsste es „Offener Brief aus Provinz“ heißen, damit das Parlament auch versteht, was gemeint ist. Für manche Politiker scheint es keine Artikel mehr zu geben. Problem an dieser Stelle ist, dass Gesetze aus genau diesen Artikeln bestehen. Das Verfassungsgericht hatte vor drei Jahren das Wahlgesetz in Teilen für nicht verfassungskonform erklärt und für Änderungen bis zum 30. Juni 2011 Zeit gegeben.
Dieser Termin ist seit einiger Zeit abgelaufen und außer Luftnummern und Machtspielen war nichts gewesen. Gerade eine Koalition aus Union und FDP, die sich als Garant für das Bestehen der BRD sehen, sind nun auf dem besten Weg die politische Ordnung an die Wand zu fahren. Wahlen sind einer der Grundpfeiler von Demokratie. Nur durch Wahlen ist unmittelbar ein Abgeordneter und mittelbar über das Parlament Bundeskanzler und Bundespräsident legitimiert. Ein ungültiges Wahlrecht ist also für eine Demokratie eine Katastrophe. Mit dem Wahlrecht stirbt die Demokratie, da es keine demokratisch legitimierte Vertretung des Volkes mehr gibt. Eine Partei, egal welcher Farbe, die ein „D“ für „Demokratisch“ in ihrem Namen führt, ist darüber hinaus doppelt unglaubwürdig, gerade in einer repräsentativen Demokratie. Die Frage, ob das derzeitige Parlament der Verfassung entspricht ist, sei an dieser Stelle ausgeklammert.

Ob eine Demokratie funktioniert oder nicht ist nicht nur von der Verfassung und den daraus abgeleiteten Gesetzen abhängig: Eine Demokratie muss GELEBT werden. Dies bedeutet auch, dass das Parlament unbequeme und für eigene (Macht-)Ziele unpassende Entscheidungen eines anderen Verfassungsorgans akzeptieren und umsetzen muss. Findet das nicht statt stirbt der Leviatan Demokratie.

Im Zuge der Reformierung des Wahlgesetzes könnte der Widerspruch aus Wahl einer Liste und Wahl einer Person aufgehoben werden. Erst dieser Widerspruch ermöglicht die Überhangmandate. Die Einführung von Ausgleichsmandaten, die das prozentuale Verhältnis in der Sitzverteilung des Bundestages, wieder herstellen sind das mindeste Gebot der Stunde. Für eine reine Listenwahl spricht nicht nur die genauere Widerspiegelung des Wählerwunsches, sondern auch die größere Möglichkeit politische Randgruppen in das Parlament zu bringen und so die notwendige Vielfalt im Bundestag aufrecht zu erhalten und zu verbessern.

Bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Einsatz von Wahlcomputern spielte Einfachheit eine große Rolle in der Entscheidung gegen den Einsatz der Technik bei Wahlen. Grob zusammengefasst: Um bei einem (Wahl-)Computer nachvollziehen zu können, wie das Ergebnis zustande gekommen ist, werden vertiefte Kenntnisse von Hard- und Software nötig. Bei der herkömmlichen Weise über Papier kann jeder ganz einfach nachzählen, ob das Ergebnis stimmt. Diese Einfachheit konsequent auf das Wahlrecht angewendet stellt die gleichzeitige Wahl einer Person und einer Liste in Frage, da auch hier nicht einfach nachzuvollziehende Effekte zustande kommen.

Ohne Änderungen ist seit dem 1. Juli 2011 keine Bundestagswahl mehr möglich, da seit diesem Tag wesentliche Teile des Bundeswahlgesetzes erloschen sind. Vorzeitige Neuwahlen sind ebenfalls ausgeschlossen. Es ist ein demokratisch gewähltes Regime entstanden, das sich über ein undemokratisches Hinwegsetzen über die Verfassung an der Macht hält. Vergleiche mit deutschen Diktaturen sind aber dennoch fehl am Platz. Die Demokratie ist um einiges fester in der Gesellschaft verankert, als zu Zeiten der „Weimarer Republik“. Dieses vergangene politische System wurde von vielen rechten und auch linken Gruppen an die Wand gefahren. Zwar ist Berlin nicht Weimar, aber eine Demokratie muss auch in den heutigen Tagen gelebt werden.

Da seit 1. Juli 2011 kein neues Wahlgesetz verabschiedet wurde steht ab diesem Tag das Kürzel BRD für BananenRepublik Deutschland.